Igel-Hilfe: Diese Nahrung und Fütterungszeiten sind ideal
Längst ist die heile Igel-Welt aus den Fugen geraten. Zerstörung ihrer Lebensräume und extensiver Gebrauch von Pestiziden haben fatale Folgen für das tägliche Brot der liebenswerten Stachelkugeln. Füttern ist keine Frage mehr von Ja oder Nein, sondern wann und wie. Lesen Sie in diesem Leitfaden, wie Sie Igel im Garten richtig füttern.
Igel im Sommer und im Winter füttern?
Schrumpfende Lebensräume, Insektensterben und Klimawandel gehen nicht spurlos an Wildtieren vorbei. Immer mehr Gartenbesitzer richten Futterstellen ein, um den Nahrungsmangel für Igel und andere Insektenfresser auszugleichen. Aus Sicht der Experten ist diese Maßnahme gut und richtig, solange sich die Unterstützung auf einen fest umrissenen Zeitraum beschränkt. Allerdings gibt es Schattenseiten zu bedenken. Folgende Tabelle fasst Vor- und Nachteile einer Ganzjahresfütterung für Igel zusammen:
Vorteile | Nachteile |
---|---|
Nahrungsmangel kompensieren | Futterneid und Sozialstress |
Folgen von Trockenheit auffangen | Infektionsquelle Futterstelle |
Lebensraumverlust abfedern | mangelhafte Futterqualität |
Schwächung Immunsystem infolge Nahrungsmangel vorbeugen | Inzucht |
Paarungskämpfe | |
Verlust der natürlichen Unabhängigkeit | |
Übergewicht |
Erläuterungen zu den Vorteilen
Insektensterben und Artenrückgang sind nicht mehr zu verleugnen. Erschwerend kommt der Klimawandel hinzu mit lang anhaltender Hitze und staubtrockenem Boden. Die ohnehin stagnierende Schar an Insekten und Weichtieren verkriecht sich im Sommer häufig tief im Erdreich, unerreichbar für darbende Igel. Um satt zu werden, müssen die Insektenfresser weit laufen. Schrumpfende, von Straßen zerstückelte Lebensräume, funktionale Gärten als Kieshalden und unüberwindliche Betonmauern machen hungrigen Igeln das Leben schwer. Daraus resultierende Unterernährung schwächt das Immunsystem massiv, sodass Krankheiten und Parasiten leichtes Spiel haben. Aus dieser Sicht ist die Einrichtung von Futterstellen sinnvoll.
Erläuterungen zu den Nachteilen
Von Natur aus sind Igel Einzelgänger, die sich respektvoll aus dem Weg gehen. An Futterstellen ist ein Zusammentreffen unvermeidbar. Sozialstress und Futterneid erzeugen ein aggressives Klima, das zu regelrechten Boxkämpfen führt. Dabei ziehen geschwächte Igel den Kürzeren, die besonders auf Zusatzfutter angewiesen sind. Igel koten dort, wo sie sich gerade befinden. Das macht jede Igelfutterstelle zu einer gefährlichen Infektionsquelle, selbst bei täglicher Reinigung. Beim engen Nebeneinander am Futternapf werden pathogene Erreger einfach weitergereicht.
Größter Nachteil der Igel-Fütterung ist mangelhafte Futterqualität in Kombination mit fehlender Kenntnis über artgerechtes Futter. Katzenfutter vom Discounter oder Igel-Trockenfutter als Alleinfuttermittel sind typische Fehler, die aus ernährungswissenschaftlicher Sicht Igeln mehr schaden als nützen. Doch auch mit hochwertigen Zutaten führt Ganzjahresfütterung für Igel letztendlich zu Nährstoffmangel, Durchfall, Stachelverlust und Zahnstein.
Befindet sich der reich gedeckt Tisch in greifbarer Nähe, begeben sich männliche Igel auf Brautschau nicht mehr in weiter entfernte Regionen. Inzucht und blutige Paarungskämpfe sind die Folgen. Darüber hinaus geraten gefütterte Igel in ein unheilvolles Abhängigkeitsverhältnis zum Menschen auf Kosten der natürlichen Instinkte. Verhängnisvolles Resultat einer Ganzjahresfütterung ist nicht zuletzt starkes Übergewicht, weil Igel unersättlich sind.
Temporäre Fütterung ist wünschenswert
Für Igel in Not ist eine kurzfristige Fütterung die letzte Rettung. Den erläuterten Problemen einer Ganzjahresfütterung gehen Sie aus dem Weg, wenn Sie Igel unter folgenden Voraussetzungen mit einer temporären Futterstelle unter die Arme greifen:
- im Herbst: vor dem Winterschlaf haben junge Igel häufig keine ausreichenden Fettreserven
- im Winter: aus dem Winterschlaf geweckte Igel sind vom Hungertod bedroht
- im Frühjahr: nach dem Winterschlaf, solange es friert und keine Insekten unterwegs sind
- im Sommer: gefundenen, verletzten oder kranken Igel für 1-2 Tage
Haben untergewichtige Igel ausreichend Fettreserven angelegt und sind wieder ausreichend Insekten unterwegs, sollte die Fütterung beendet werden. Eine Ausnahme gilt für aufgefundene, kranke oder verletzte Igel. Betroffene Tiere gehören schnellst möglich in die Obhut von Tierarzt oder Igelpflegestation. Eventuelle Wartezeiten von ein oder zwei Tagen bis zur Einlieferung werden mit Zusatzfutter überbrückt.
Hintergrund
Igelfreundlicher Garten
Was frisst ein Igel normalerweise?
Igel sind in erster Linie Insektenfresser, verschmähen aber auch Würmer, Käfer und Schnecken nicht. Ohrwürmer und Tausendfüßler stehen ebenfalls ganz oben auf dem Speiseplan. Während magerer, Insekten-armer Zeiten, lassen sich die Stachelritter auch Aas gut schmecken, um den täglichen Bedarf an Kalorien, Proteinen und Vitaminen zu decken.
Es gehört ins Land der Fabeln, dass Igel sich vegetarisch ernähren. Für Obst oder Gemüse interessieren sich die Fleischfresser erst dann, wenn sich saftige Maden oder Raupen darin tummeln. Bei Hitze decken die cleveren Überlebenskünstler ihren Wasserbedarf ausnahmsweise mit Beeren oder Fallobst. Ihre besondere Vorliebe für Süßes verleitet die Schleckermäuler gelegentlich dazu, von reifen Äpfeln oder Bananen zu naschen. Das Verdauungssystem ist für die Verarbeitung vegetarischer Nahrung nicht ausgelegt, sodass die kleinen Sünden nahezu unverdaut wieder ausgeschieden werden.
Bildunterschrift: Igel haben Insekten, Würmer, Schnecken und Käfer zum Fressen gern.
Was darf man Igel füttern?
Es ist kein einfaches Unterfangen, Igel in Not artgerecht zu füttern. Keine noch so kostspielige Ersatznahrung reicht an die hochwertige Qualität natürlicher Futterquellen heran. Ein geeignetes Alleinfuttermittel für Igel muss noch erfunden werden. Im Fachhandel können Sie Igel-Trockenfutter kaufen, das aufgrund eines hohen Gehaltes an Kohlenhydraten lediglich als Zutat infrage kommt. Als probate Überbrückung akuter Nahrungsdefizite eignet sich primär eine ausgewogene Mischung verschiedener Komponenten. Folgende Tabelle stellt erlaubte und verbotene Nahrungsmittel für Igel gegenüber:
erlaubt | verboten |
---|---|
Igel-Trockenfutter | Milch und Milchprodukte |
Katzenfutter | Käse |
Hundefutter ohne Soße | Nüsse, Erdnüsse |
Haferflocken | Rosinen |
Weizenkleie | Apfel, Birne, Banane |
Eier (gekocht), Rührei | rohe Eier |
ungewürztes, gebratenes Fleisch | gewürztes, rohes Fleisch |
ungewürzter, gekochter Fisch | gewürzter, roher Fisch |
Mehlwürmer | Salat, Tomaten, Karotten, Kartoffeln |
Servieren Sie Igel-Futter bitte in einer flachen Schale. Unverzichtbar ist frisches, stilles Wasser, das Sie in einer kleineren Schale am Futterplatz aufstellen und täglich austauschen. Bester Zeitpunkt für die Fütterung ist während der abendlichen Dämmerung, wenn sich Igel ohnehin auf Nahrungssuche begeben.
Stachelige Kostgänger im Garten lieben einen abwechslungsreichen Speiseplan. Folgende Rezepte lassen kleine Igelherzen höher schlagen:
- 100 g Katzenfutter mit 2 Esslöffeln Igeltrockenfutter vermischen
- 100 g Geflügelfleisch klein schneiden, mit 2 EL Haferflocken mischen, in 1 TL Pflanzenöl braten
- 30 g Rinderhack und 1 aufgeschlagenes Ei in 1 TL Öl anbraten, 2 EL Haferflocken unterrühren
- 60 g ungewürztes Hackfleisch in 1 TL Öl anbraten, 1 EL Weizenkleie hinzugeben
- 60 g Rührei mit 1 TL Öl anbraten, 2 EL Igeltrockenfutter einrühren
Exkurs
Baby-Igel
Baby-Igel gehören in Expertenhände. Außerhalb vom Nest aufgefundene, verwaiste junge Igel mit geschlossenen Augen und Ohren haben ihre Mutter verloren. Für die Rettung der hilflosen Findlinge sind Laien überfordert. Baby-Igel zu füttern, erfordert besondere Kenntnisse, die weit hinausgehen über die normale Zufütterung erwachsener Igel. Bringen Sie Igelsäuglinge schnellst möglich zur nächsten Igelstation oder einem Tierarzt. Für den sicheren Transport polstern Sie einen Karton aus mit zerrissenem Zeitungs- oder Küchenpapier. Wichtig zu beachten ist, dass Sie Fundort und Fundzeitpunkt notieren als wichtige Informationen für die Experten.
Futtermenge abwiegen
Nachdem geklärt ist, womit Sie Igel artgerecht füttern, steht die Frage nach der richtigen Futtermenge im Raum. Die possierlichen Stacheltiere sind unersättlich und kennen kein Sättigungsgefühl. Damit die Zufütterung nicht zu gesundheitsschädlichem Übergewicht führt, wiegen Sie bitte die tägliche Ration genau ab. Die konkrete Menge richtet sich nach Alter und Größe der geladenen Gäste. Bewährte Erfahrungswerte fasst folgende Übersicht zusammen:
- Junge Igel: 120 bis 150 Gramm täglich
- Erwachsene Igel: 200 bis 230 Gramm täglich
Wann Sie aufhören mit dem Füttern, bestimmt das Gewicht Ihres stacheligen Pfleglings. Haben sich junge Igel 600 Gramm und erwachsene Igel satte 1.000 Gramm angefuttert, ist es an der Zeit, das Tischlein-deck-dich zu beenden. Mit diesem Kampfgewicht sind die Stachelträger bestens gerüstet für die eigenständige Nahrungssuche und einen unbeschadeten Winterschlaf. Bitte räumen Sie die Futterstelle nicht abrupt. Schonender verläuft die Entwöhnung, indem Sie täglich die Futtermenge um ein Drittel reduzieren.
Tipp
Wenn Igel aus dem Winterschlaf erwachen, haben sie lange Zeit nichts gefressen. In den ersten drei Tagen ist es dringend angeraten, die Futtermenge sukzessive zu erhöhen. Futtern die ausgehungerten Insektenfresser von Anfang an die normale Tagesration von 180 bis 200 Gramm, sind erhebliche Magen- und Darmprobleme infolge Überladung vorprogrammiert.
Tipps für den Idealen Futterplatz
Ein sachkundig eingerichteter Futterplatz ist für ungebetene Gäste nicht zugänglich, wie Katzen, Hunde, Marder oder Füchse. Penible Sauberkeit verhindert die Ausbreitung von Krankheiten, Parasiten, Schimmel und Fäulnis. Folgende Tipps mögen Sie inspirieren, für Igel die perfekte Futterstelle einzurichten:
- Bester Standort: geschützter, versteckt liegender Platz im Garten
- Idealerweise als Futterhaus aus Holzkiste oder zusammengesetzten Ziegelsteinen
- Grundfläche etwa 30x30x30 cm mit Eingangloch 10x10x10 cm
- Dach mit Steinen beschwert
- Boden mit Maschendraht gesichert gegen Angriffe von unten
Igel koten häufig dort, wo sie fressen. Befindet der Futterplatz über offenem Gartenboden oder Rasen, verschieben Sie den Überbau bitte von Zeit zu Zeit. Ein Standort auf versiegeltem Untergrund sollte regelmäßig gereinigt werden. Igel fressen nicht dort, wo sie schlafen und umgekehrt. Es ist vorteilhaft, wenn sich Futterhaus und Schlafstätte, insbesondere das Winterquartier, in unmittelbarer Nachbarschaft befinden. Im besten Fall liegen beide Eingänge nebeneinander oder einander gegenüber.
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Sonderfall: Igel-Nachwuchs füttern
Baby-Igel und sehr schwache Igel sind nicht in der Lage, selbstständig feste Nahrung zu sich zu nehmen. Um eine eventuelle Wartezeit bis zur Aufnahme in einer Igelstation zu überbrücken, füttern Sie Ihren kleinen Zögling von Hand. Das gelingt mithilfe einer Pipette oder Einweg-Spritze ohne Nadel.
Als Flüssignahrung ideal ist Welpenersatzmilch, die beim Tierarzt erhältlich ist. Übergangsweise eignet sich laktosearme Katzenmilch aus dem Fachhandel oder Hipp-Fleischzubereitung (Aufdruck: ab 4. Monat) püriert. Nehmen Sie den auf dem Rücken liegenden Igel in Ihre Hand, sodass er eine leicht sitzende Stellung einnimmt. Mit dem Daumen stabilisieren Sie vorsichtig die Haltung. Träufeln Sie die flüssige Nahrung vier- bis fünfmal am Tag seitlich ins Igel-Mäulchen in einer Dosierung von jeweils 10 bis 30 Milliliter. Warten Sie bitte nach jedem Tropfen, bis der Igel geschluckt hat.
Falsch verstandene Tierliebe darf nicht zur Ganzjahres-Fütterung und grundlosen Überwinterung von Igeln im Keller führen.
Häufig gestellte Fragen
Igel sind doch Insektenfresser? Kürzlich habe ich beobachtet, wie ein Igel sich für Fallobst interessierte.
Igel ernähren sich überwiegend von Insekten, Würmern, Käfern, Schnecken & Co. Einer süßen Nascherei zwischendurch können sie dennoch nicht widerstehen, wie einer vollreifen Beere oder einem Stück Apfel. Allerdings ist das Verdauungssystem der Insektenfresser nicht auf die Verwertung pflanzlicher Nahrung ausgerichtet, sodass Obst nahezu unverdaut wieder ausgeschieden wird. Interessiert sich ein Igel für Fallobst, hat er zumeist darin enthaltene Maden im Visier.
Sollte man Igel bei Trockenheit mit Zusatzfutter helfen?
Langjährige Erfahrungen von Igelzentren und Igelpflegestationen haben aufgezeigt, dass vom Frühling bis zum Herbst die Fütterung von Igeln verboten sein sollte. Es ist ein Ammenmärchen, dass die Insektenfresser bei sommerlicher Trockenheit und Hitze kein Futter mehr fänden. Ersatzfutter jeglicher Art erreicht nie die Qualität der natürlichen Beutetiere. Futtern von Igeln ist nur in Ausnahmesituationen erforderlich, wie bei vorzeitigem Wintereinbruch oder im Spätwinter, wenn keine Futtertiere in der Natur vorhanden sind.
Wann hält ein Igel seinen Winterschlaf?
Bei normalem Witterungsverlauf halten Igel ihren Winterschlaf von November bis Ende März/Anfang April. Weibchen begeben sich zumeist einen Monat später in Winterschlaf, weil sie nach der kräftezehrenden Aufzucht ihrer Jungen mehr Zeit benötigen, um ausreichend Fettreserven aufzubauen. Bei beiden Geschlechtern ist die Dauer der winterlichen Ruhephase etwa gleich lang. Daraus resultiert, dass weibliche Igel im Frühling später erwachen, als ihre männlichen Artgenossen.
Nach dem Winterschlaf haben wir den Igeln in unserem Garten mit Katzenfutter den Start in die Saison erleichtert. Dürfen wir jetzt im Mai weiterhin Futter bereitstellen? Es bereitet der ganzen Familie viel Freude, die Igel beim abendlichen Futtern zuzusehen.
Bitte beenden Sie jetzt die Fütterung. Verständlicherweise ist es eine Freude, possierlichen Igeln beim Schmausen zuzusehen. Allerdings erweisen Sie den Insektenfressern damit einen Bärendienst. Katzenfutter ist nur bedingt und temporär als Igelfutter geeignet. Steht jeden Abend ein gedeckter Tisch bereit, begeben Igel sich nicht mehr auf Insektenjagd, werden fett, faul und schlimmstenfalls krank. Füttern von Igeln sollte nur eine Notlösung sein, um nahrungsarme Zeiten im Spätwinter zu überbrücken.
Tipp
Der Naturschutzbund (NABU) untermauert die Dringlichkeit von artgerechten Schutzmaßnahmen für Igel. Im Rahmen des Bürgerforschungsprojektes „Igel in Bayern“ wurde nachgewiesen, dass die Zerstörung von Lebensräumen Igel zunehmend in die Nähe menschlicher Siedlungen zwingt. Das traurige Ergebnis: von 28.000 in 2015 gezählten Igeln war mehr als ein Drittel tot, zumeist traurige Opfer im Straßenverkehr.