Baumkronen: So schneiden und pflegen Sie sie richtig
Die Baumkrone thront über dem Stamm und bildet essentielle Grundorgane für das Überleben eines Baumes. Dem Menschen spendet sie Schatten, Früchte und auch geistige Erfüllung. Praktisches und Romantisches über Baumkronen vom Schnitt bis zum Gedicht erfahren Sie in diesem Artikel.
Botanische Definition der Baumkrone
Die Baumkrone ist botanisch gesehen der Teil eines Baumes, der sich aus dem Stamm heraus meist in Äste, Zweige und Blätter aufgliedert. Die Äste und Zweige dienen als Teil der Sprossachse der Zuleitung von über die Wurzeln aufgenommenen Nährstoffen, Wasser und Assimilaten in die Blätter. Diese sorgen als eines der Grundorgane des Baumes für die Verstoffwechslung der aufgenommenen Energie durch Photosynthese und Transpiration.
Je nach Baumart können Baumkronen sehr unterschiedlich geformt und ausgestattet sein. Ein wesentliches Kriterium ist dabei natürlich die Unterscheidung von Laubblättern und Nadeln, die in der Wahrnehmung des Menschen erst einmal optisch auffällig ist. Biologisch sind Nadelblätter bei Bäumen aber eine nüchterne Anpassung vor allem an trockene Umgebungsbedingungen, die durch die verkleinerte Blattoberfläche und die dicke Cuticula abgefedert werden können.
Vom Habitus her variieren Baumkronen zwischen üppig ausladenden und schmalen, hochgeschossenen Formen, die ebenfalls von Umgebungsbedingungen wie Licht- und Raumangebot und Temperatur abhängen.
Baumkronen aus Gärntersicht
In freier Natur kommen Bäume problemlos selbst mit ihrer Krone zurecht. Um ihre praktischen Funktionen aufrechtzuerhalten, brauchen sie in der Regel keine Hilfe vom Menschen. Pflegemaßnahmen in Form von Rückschnitt durch den Menschen dienen schließlich auch in erster Linie der wirtschaftlichen und/oder ästhetischen Nutzung des Baums.
Bei der Schnittpflege von Baumkronen muss zunächst zwischen zwei Kategorien unterschieden werden, die sich jeweils auf andere Baumarten und andere Zielsetzungen beziehen:
1. Nutzbaumschnitt für höheren Fruchtertrag
2. Zierbaumschnitt für üppigere Blüte und Formschönheit
Der Rückschnitt von Nutzbäumen – und beim Thema Baumkronenschnitt beziehen wir uns freilich auf Obstbäume – hat also in erster Linie einen wirtschaftlichen Zweck, während bei Zierbäumen die ästhetische Erscheinung fürs Genießen im Vordergrund steht.
Für beide Arten des Baumkronenschnitts gibt es verschiedene Techniken mit jeweils leicht variierenden Interessen dahinter. Sehen wir uns die wichtigsten einmal genauer an.
Baumkronen schneiden
Wenden wir uns in diesem Abschnitt zunächst dem Obstbaumschnitt und anschließend dem Zierbaumschnitt zu.
Obstbaumschnitt
Das Ziel beim Obstbaumschnitt ist es, einen üppigen und aromatischen Fruchtertrag und eine gute Balance zwischen Wuchs, Blüten- und Fruchtbildung über die gesamte Lebensdauer hinweg zu erreichen. Dazu sind ein paar Grundkenntnisse über die Wirkung von Schnittaktivitäten nützlich. Grundsätzlich gelten folgende Dinge:
- Vollständiges Abschneiden von Trieben (also am oder hinter dem Ansatz) verlagert Wuchskraft in die vorhandenen Zweige und Äste, Abschneiden vor dem Ansatz regt dagegen neue Verzweigung an
- Menge des Rückschnitts orientiert sich an Wuchstempo der Baumart, am Alter und an der Unterlage
- Zeitpunkt des Schnitts orientiert sich an Wuchsfreude
Der Ansatz eines Zweigs bildet immer eine klare Grenze zu einem neuen Abschnitt. Das bedeutet, dass der Energiefluss des Baums sich durch den Ort des Schnitts von Trieben gezielt steuern lässt. Schneidet man einen Trieb an oder hinter der Ansatzstelle, kehrt die Energie in die älteren Kronenteile zurück. Schneidet man den Trieb hingegen vor der Ansatzstelle ab, verbleibt sie auch im jungen Holz und regt es zu Neuaustrieben an, die später mehr Korrekturschnitte erforderlich machen.
Je nach Obstart, je nach Alter des Individuums und nach Art der Unterlage bei veredelten Bäumen wachsen Obstbäume unterschiedlich schnell. Schwachwüchsige Obstbäume bzw. Unterlagen wie Äpfel oder Quitten sind allgemein einfacher zu schneiden, sie brauchen nicht ständig in Schach gehalten zu werden. Bei schnell nach oben schießenden und/oder verzweigungsfreudigen Arten wie Birnen, Süßkirschen oder Pflaumen muss hingegen häufiger und möglichst im Sommer nach der Ernte geschnitten werden, um die Wuchsfreudigkeit einzudämmen und durch die Entfernung überschüssiger Triebe für mehr Licht zu sorgen.
Wie geschnitten wird, hängt von der Phase ab, in der sich ein Obstbaum befindet. In Bezug auf diese Phasen unterscheidet man 4 Schnittmethoden:
1. Pflanzschnitt
2. Erziehungsschnitt
3. Erhaltungsschnitt
4. Verjüngungsschnitt
Pflanzschnitt | Erziehungsschnitt | Erhaltungsschnitt | Verjüngungsschnitt | |
---|---|---|---|---|
In welcher Lebensphase? | Nach dem Pflanzen | Beim Heranwachsen | In ausgewachsenem, regelmäßig fruchttragendem Stadium | Im Alter, nach jahrelanger Pflegelosigkeit |
Jahreszeit | Im ersten Frühjahr | Jährlich im Winter, ggf. zusätzlich im Sommer | Jährlich im Winter | Einmalig/Bei Bedarf im Frühjahr |
Zwecke | Erste Formrichtung vorgeben | Tragfähige, ausgewogene Krone fördern | Form erhalten und ausgewogenen Fruchtertrag sichern | ‚Stornierung‘ von Verwilderung, Belebung |
Maßnahmen | Untere und Konkurrenztriebe des Mitteltriebs entfernen | Mitteltrieb und Haupt-Seitenäste kürzen, Innen- und Senkrechttriebe entfernen | Innen- und Senkrechttriebe sowie Altholz entfernen, | Altholz großzügig entfernen, daraufhin kommende Wasserschosse ebenfalls |
Pflanzschnitt
Beim Pflanzschnitt gilt es, der Krone des Obstbaums nach der Pflanzung eine erste Richtung zu geben. Dazu werden im Frühjahr zum einen die nicht benötigten Triebe im unteren Bereich entfernt, die nicht zur späteren Krone gehören sollen. Im Kronenteil, den man erhalten möchte, wählt man einen möglichst mittigen und senkrechten Mitteltrieb aus und entfernt konkurrierende, kräftige Nebentriebe. Außerdem kürzt man alle verbleibenden Triebe so ein, dass sie etwa gleich lang sind und eine insgesamt ausgewogene Nährstoffversorgung gefördert wird.
Erziehungsschnitt
Das Ziel beim Erziehungsschnitt eines Jungbaums ist es, ein stabiles und gut durchlüftetes und lichtversorgtes Kronengerüst aufzubauen. Den Erziehungsschnitt nimmt man einmal pro Jahr im Winter vor, bei wuchsfreudigen Sorten zusätzlich im Sommer nach der Blüte, bzw. nach der Ernte, wenn der Baum ins fruchtreife Alter gekommen ist. In dieser Phase kann der Mitteltrieb zur Stärkung noch etwas eingekürzt werden. Ansonsten werden alle nach innen wachsenden Triebe entfernt und die ausgewogen verteilten Hauptäste, ebenfalls zur Stärkung, eingekürzt.
Erhaltungsschnitt
Ist der Obstbaum in ein stabiles, mittleres Alter gekommen, in dem er regelmäßig eine mengen- und aromamäßig ausgewogene Fruchtproduktion zeigt, soll ebendies erhalten werden. Dazu entfernt man wieder jeden Winter alle nach innen/senkrecht wachsenden Triebe und ältere, stark verzweigte Außentriebe, die nur noch wenige Früchte tragen.
Verjüngungsschnitt
Im Senioralter können Obstbäume hin und wieder einen Verjüngungsschnitt vertragen. Auch Individuen, die jahrelang gar nicht geschnitten worden sind, lassen sich dadurch wieder auf Trab bringen. Ein Verjüngungsschnitt ist allerdings eine nicht ganz triviale Sache und fordert auch professionelle Obstbauer heraus. Denn ein Verjüngungsschnitt kennzeichnet sich dadurch, dass viel altes Astmaterial und Parasiten wie Misteln oder Lichtschlucker wie Efeu entfernt werden, wodurch das gewachsene Gleichgewicht des Baumes erheblich aufgemischt wird. Gegebenenfalls sollte hier ein Experte zu Rate gezogen werden.
Grundsätzlich führt man einen Verjüngungsschnitt im Frühjahr durch. Dabei werden alle alten, stark verzweigten Äste, sodass nur ausgewählte, vitale Äste in ausgewogener Verteilung übrig bleiben. Auf die Entfernung großer Hauptäste wird der Baum im Laufe der Saison mit der Bildung senkrechter Wasserschosse reagieren, die direkt entfernt werden sollen. Im Folgejahr nach der Verjüngung kehrt man zum Erhaltungsschnitt zurück.
Zierbaumschnitt
Zierbäume werden für den ästhetischen Genuss gehalten, weshalb auch Schnittmaßnahmen an ihnen dem Erhalt von Blütenfülle und attraktiver Wuchsform gelten.
Beim Zierbaumschnitt ist weniger oft mehr
Generell gestaltet sich der Zierbaumschnitt etwas weniger militärisch als der Obstbaumschnitt. So muss man bei den meisten Arten nicht jährlich zur Astschere greifen und ist auch beim jahreszeitlichen Zeitpunkt etwas flexibler. Außerdem sollte man bei einigen Zierbäumen mit dem Schneiden sowieso zurückhaltend sein. Denn oft ist gerade das natürliche Wuchsbild besonders reizvoll und kann durch zu akribische Schnitterziehung zur Charakterlosigkeit degenerieren. Vor allem bei beliebten Zierbäumen wie dem Japanischen Fächerahorn, Magnolien oder Ginkgobäumen entfaltet sich oft erst im Alter das volle Baumkronen-Charisma – es lohnt sich also, sich mit dem Eingreifen geduldig zurückzuhalten.
Schnittverträglichkeit berücksichtigen
Abgesehen von der sich natürlicherweise entwickelnden Ästhetik der Baumkronenform sollte man auch im Hinblick auf die Schnittverträglichkeit bei Zierbäumen eher vorsichtig sein. Denn einige mögen Rückschnitte gar nicht und reagieren darauf mit nur sehr zögerlichem Wiederaustrieb. Vor allem Nadelgehölze sollten Sie sich selbst überlassen, aber auch Ebereschen, Essigbäume oder Goldahorn möchten lieber unberührt bleiben. Wuchs- und austriebsfreudige Arten wie Zieräpfel, Zierkirschen, Weiß- und Rotdorn und besonders auch Rosengehölze können dagegen gut und gerne zu dichten Kronen erzogen werden.
Blüten fördern
Neben der Formerziehung ist beim Zierbaumschnitt die Blütenförderung ein wichtiges Anliegen. Um hierbei erfolgreich zu sein, ist der richtige Zeitpunkt abzupassen. Vor allem bei zu spätem Schnitt kann man gegebenenfalls die ganze bevorstehende Blütenpracht buchstäblich im Keim ersticken. Grundsätzlich schneidet man Frühlingsblüher nach der Blüte, Sommerblüher im Winter oder im zeitigen Frühjahr.
Baumkrone pflegen
Um die Form einer Ziebaumkrone ansehnlich zu erhalten und auch ein gesundes, ausgewogenes Wachstum zu fördern, ist vor allem immer mal wieder ein Auslichten nötig. Dabei entfernt man, ähnlich wie beim Erhaltungsschnitt bei Obstbäumen, vor allem die nach innen und senkrecht wachsenden Triebe. So bekommen die übrig bleibenden Äste und Zweige mehr Licht und Luft und die Nährstoffe verteilen sich gleichmäßiger.
Wuchfreudige Zierbäume brauchen auch hin und wieder mal eine Baumkronenverkleinerung. Dabei ist es wichtig, die natürliche Wuchsform zu erhalten. Das erreicht man, indem man nur die längsten Hauptäste direkt über dem Ansatz eines seiner Seitentriebe einkürzt, anstatt alles von außen einfach auf eine einheitliche Länge zu ‚rasieren‘.
Baumkronenform erziehen
Wenn die Baumkronen von Zierbäumen formerzogen werden, dann in aller Regel zur Kugelform. Dazu eignen sich Sorten, die von Natur aus eine dicht verzweigte Krone bilden und deshalb in vielen Fällen auch das Präfix ‚Kugel-‚ vor ihrem Artennamen stehen haben – etwa Kugelahorn, Kugelrobinie oder Kugeltrompetenbaum. Aber auch Weiß- und Rotdorn sind beliebte und geeignete Kandidaten für die Kugelbaumkronenerziehung.
Den Schnitt zur geometrisch akkuraten Kugel nimmt man alle 2-3 Jahre im Winter vor, wobei man mit der Schnittstelle an den Trieben immer nur ein kleines Stück nach außen rückt, um die Schnittverletzung minimal zu halten.
Die Baumkrone als Mystikum und Geistesinspirator
Zum Schluss noch ein paar Worte zu der großen romantischen Rolle, die Baumkronen für die Menschen schon immer gespielt haben. Ihre majestätische Mächtigkeit, ihr säuselndes Rauschen, ihre schwingende Vitalität, erqickender Schatten und Schutz vor Wind und Wetter sind süße, sensorische Geschenke, die den Menschen in allen Weltregionen und Kulturen stets zu poetischen, mystischen und religiösen Glorifizierungen veranlasst haben. Ganze Glaubenskonzepte bauen auf Pflanzen und im Besonderen auf Bäumen auf und in der Poesie sind Trost, Schatten, Freude und schöne Schaurigkeit spendende Baumkronen unzählige Male Protagonist.
Die individuelle Vereinnahmung durch die Schönheit, die unergründliche Erhabenheit und geheimnisvolle Verbundenheit von Baumkronen drückt unser großer Dichter Schiller wortprächtig aus:
Auszug aus: Der Spaziergang von Friedrich Schiller, 1795:
Doch jetzt braust’s aus dem nahen Gebüsch,
tief neigen die Erlenkronen sich,
Und im Wind wogt das versilberte Gras.
Mich umfängt ambrosische Nacht: in duftende Kühlung
Nimmt ein prächtiges Dach schattender Buchen mich ein,
In des Waldes Geheimnis entflieht mir auf einmal die Landschaft,
Und ein schlängelnder Pfad leitet mich steigend empor.
Nur verstohlen durchdringt der Zweige laubigtes Gitter
Sparsames Licht, und es blickt lachend das Blaue herein.
Aber plötzlich zerreißt der Flor. Der geöffnete Wald gibt
Überraschend des Tags blendendem Glanz mich zurück.
faq:
Wie genau ist die Baumkrone definiert?
Die Baumkrone ist der Teil der Sprossachse eines Baumes, der vom Stamm in die Verzweigung in Äste, Zweige und Blätter übergeht. Sie dient dem Nährstoff- und Wassertransport sowie dem Stoffwechsel.
Wie schneide ich die Baumkrone eines Obstbaums?
Beim Obstbaumschnitt kommt es darauf an, möglichst viel Fruchtertrag zu fördern und den Baum gesund und jung zu halten. Je nach Lebensphase nimmt man bei Obstbäumen Pflanzschnitte, Erziehungsschnitte, Erhaltungsschnitte oder Verjüngungsschnitte vor. Beim Pflanzschnitt gibt man einem neu gepflanzten Obstbaum die grundsätzliche Richtung für die Kronenform vor. Beim Erziehungsschnitt fördert man die ausgewählten Hauptäste, um eine stabile Krone zu bekommen. Der Erhaltungsschnitt dient der Erhaltung einer guten Kronendurchlüftung und -durchlichtung und damit einem regelmäßigen Fruchtertrag. Mit einem Verjüngungsschnitt belebt man alte und/oder verwilderte exemplare wieder.
Wie oft muss ich die Baumkrone eines Obstbaums schneiden?
Obstbäume sollten idealerweise alljährlich im Winter geschnitten werden. Sehr wuchsfreudige Arten vertragen im Sommer einen zusätzlichen Rückschnitt.
Wie schneide ich die Baumkrone eines Zierbaums?
Bei Zierbäumen sollte man mit Schnittmaßnahmen etwas zurückhaltender sein als bei Obstbäumen. Zum einen vertragen manche Sorten häufige Rückschnitte nicht besonders gut, zum anderen ist oft schon die natürliche Wuchsform außerordentlich reizvoll und sollten nicht zerstört werden. Bei schnittunempfindlichen, austriebsfreudigen Arten kann alle paar Jahre ein Rückschnitt zwecks Auslichtung und Kronenverkleinerung vorgenommen werden. Die Erziehung zu Kugelbaumkronen eignet sich nur für von Natur aus dicht verzweigende Sorten.
Wie häufig ist ein Baumkronen-Rückschnitt bei Zierbäumen nötig?
Wuchsfreudige und schnittverträgliche Zierbäume können alle 2-3 Jahre zurückgeschnitten und ausgelichtet werden. Weniger schnittverträgliche und langsam wachsende Arten sollten dagegen eher in Ruhe gelassen werden und nur bei Sturmschäden geschnitten werden.