Achtung Verwechslung! Spilling, Mirabelle, Kirsch- oder Blutpflaume?
Die korrekte Bestimmung kleiner Steinfrüchte aus der Pflaumen-Verwandtschaft ist selbst für erfahrene Gärtner herausfordernd. Mirabelle, Kirschpflaume, Blutpflaume und Spilling werden häufig verwechselt, dabei unterscheiden sie sich in wichtigen botanischen, ökologischen und kulinarischen Merkmalen. Wer weiß, worauf er achten muss, kann die Arten sicher auseinanderhalten – und gleichzeitig den Garten ökologisch bereichern.
Botanische Einordnung und Herkunft
Mirabelle (Prunus domestica ssp. syriaca)
Die Mirabelle ist eine Unterart der Kultur-Pflaume und entstand wohl durch Kreuzung verschiedener Pflaumenarten in Asien. Als sehr alte Kulturfrucht ist sie vor allem im französischen und südwestdeutschen Raum verbreitet.

Die Mirabelle trägt kleine, gelbe Früchte mit süßem Aroma
Kirschpflaume (Prunus cerasifera)
Auch bekannt als Myrobalane oder „wilde Mirabelle“, ist sie eine eigene Art und eine der Stammformen der heutigen Kultur-Pflaume. Ursprünglich stammt sie aus Südosteuropa und Westasien.

Die Kirschpflaume blüht früh im Jahr und trägt kleine, runde Früchte
Blutpflaume (Prunus cerasifera ‚Nigra‘)
Die Blutpflaume ist eine dunkellaubige Zuchtform der Kirschpflaume. Sie wird überwiegend als robustes Ziergehölz eingesetzt, liefert aber ebenfalls essbare, aromatische Früchte.

Die Blutpflaume fällt durch ihre rotbraunen Blätter und zartrosa Blüten auf
Spilling (Prunus domestica ssp. pomariorum oder insititia)
Der oft vergessene Spilling ist eine alte, wenig bekannte Landsorte der Zwetschge. In Norddeutschland, dem Alpenraum oder Teilen Skandinaviens wächst er als Einzelbaum oder in Altbeständen. Er stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen Wildpflaume und Zwetschge dar.

Spillinge sind kleine, tropfenförmige Früchte mit gelb bis rotvioletter Färbung
Wichtige Unterscheidungsmerkmale im Überblick
Merkmal | Mirabelle | Kirschpflaume | Blutpflaume | Spilling |
---|---|---|---|---|
Blütezeit | Spät (Ende April/Mai) | Früh (März/Anfang April) | Früh (März/Anfang April) | Spät (April/Mai) |
Fruchtfarbe | Sattgelb bis orange, oft rötlich | Gelb, rot, violett, selten ged. | Dunkelrot bis schwarzrot | Gelb, gelbrot, manchmal blau/violett oder schwarz |
Steinlöslichkeit | Sehr gut („steingängig“) | Schlecht | Schlecht | Schlecht (häufig anliegend) |
Fruchtgröße | Klein bis mittel (2–3,5cm) | Klein bis mittel (2–4cm) | Klein (bis 3 cm) | Klein (2–3cm) |
Blattmerkmale | Glatt, unterseits samtig | Dünn, papierartig, glatt | Karminrot, glänzend | Klein, fest, beidseits oft behaart |
Die wichtigsten Bestimmungsmerkmale
- Blütezeit: Kirschpflaume und Blutpflaume sind sehr früh dran (März/April), Mirabelle und Spilling später (April/Mai).
- Blatt und Laub: Blutpflaume ist an ihrer ganzjährig rot glänzenden Belaubung leicht erkennbar; Spilling hat kleine, meist behaarte Blättchen.
- Früchte: Mirabellen sind meist goldgelb und steingängig. Kirschpflaumen variieren stark in Farbe, der Stein haftet fest. Spilling-Früchte sind klein, mit anliegendem Stein und zeigen häufig eine bläuliche Bereifung. Blutpflaume-Früchte sind dunkelrot.
- Steinlöslichkeit: Mirabelle (sehr gut löslich), alle anderen (schlecht löslich!).
Geschmack, Verwendung und nachhaltige Verarbeitung
Geschmacksprofile
- Mirabellen: Sehr süß und aromatisch, typisches feines Mirabellenaroma. Als Dessertfrucht beliebt, ideal für Kuchen und Marmelade, unkompliziert zu entsteinen.
- Kirschpflaumen: Je nach Typ von süßlich bis fruchtig-säuerlich, Aroma und Qualität stark sorten- und standortabhängig.
- Blutpflaumen: Meist süß-säuerlich, besonders aromatisch in vollreifem Zustand. Eignen sich gut für Kompott und Marmeladen.
- Spillinge: Saftig, angenehm süß-säuerlich, aromatisch, traditionell für Mus, Marmelade, Destillate und zum Frischverzehr genutzt.
Nachhaltigkeit und ökologische Aspekte
Alle vier Arten sind wertvolle Insektenweiden: Frühblüher wie Kirsch- und Blutpflaume liefern bereits im März wichtigen Pollen und Nektar – eine der ersten Nahrungsquellen für Wildbienen und Hummeln. Mirabelle und Spilling sorgen später erneut für Blütenpracht.
Sie brauchen kaum Pflege, keine Spritzmittel, sind frosthart und kommen auch mit wenig Wasser zurecht. Im naturnahen Garten sind sie daher ideal, um robust, nachhaltig und ohne Chemie für Artenvielfalt zu sorgen.
Tipp
Bei Kirschpflaumen und Spilling kann das mühsame Entsteinen entfallen – Früchte mit Stein kurz kochen, durch ein Sieb streichen, Saft oder Mus wie gewohnt weiterverarbeiten. Das spart Zeit und nutzt das volle Aroma.
Praktische Bestimmung: So unterscheiden Sie sicher
Zur Blütezeit:
- März–April: Blüte vor dem Blattaustrieb = Kirschpflaume oder Blutpflaume (Blattfarbe beobachten).
- April–Mai: Blüte mit bereits entwickelten Blättern = Mirabelle oder Spilling.
Zur Fruchtzeit (Juli–September):
- Steinlöse-Test: Stein lässt sich leicht herauslösen → Mirabelle. Stein bleibt haften → Kirschpflaume, Blutpflaume oder Spilling.
- Blatt-Test: Klein und beidseitig behaart = Spilling, glatt und samtig unten = Mirabelle, papierartig = Kirschpflaume, rot glänzend = Blutpflaume.
- Farbe: Sattgelb/gold – Mirabelle oder Spilling (bei Spilling oft kleiner, teils bereift, auch blaue Sorten). Bläuliche Färbung/klein = eher Spilling. Sehr dunkel und kleine Frucht = Blutpflaume.
Der Spilling – Vielfalt erleben und bewahren
Oft werden Spillinge als „wilde Mirabellen“ fehlgedeutet. Ihre Früchte sind jedoch meist kleiner, häufig bereift, der Stein bleibt haften – sie zu bestimmen braucht ein geübtes Auge. Spillingsbäume sind robust, kommen mit mageren, trockenen Böden zurecht und eignen sich hervorragend für klimabewusste extensiv bewirtschaftete Gärten.
Kulinarisch lohnt sich die Entdeckung: Spillinge ergeben ein exzellentes Mus, können unverarbeitet gegessen oder zu traditionellen, regionalen Obstbränden verarbeitet werden.
Ökologisch leisten sie doppelte Dienste – als widerstandsfähige Alternative zu Exoten, als Lebensraum und Nahrungsquelle für Wildtiere, und als Beitrag zur Sorten- und Artenvielfalt im eigenen Garten.