Rückschnitt

Kallus: Was ist das und wie fördert es die Wundheilung?

Moderne Erkenntnisse zur effektiven Wundbehandlung nach Gehölzschnitt stellen den Fachbegriff „Kallus“ in den Mittelpunkt. Statt jede Schnittwunde mit Wachs zu versiegeln, überlassen umsichtige Hausgärtner den Selbstheilungskräften von Sträuchern und Bäumen diese Aufgabe. Welche Funktion Kallus im regenerativen Prozess übernimmt, bringt dieser Leitfaden auf den Punkt.

AUF EINEN BLICK
Was ist Kallus bei Gehölzen und welche Funktion hat es?
Kallus ist ein wulstiges Gewebe, das aus undifferenzierten Zellen an den Rändern von Schnittwunden und Verletzungen bei Gehölzen entsteht. Es bildet sich aus dem Kambium und hilft der Pflanze, Wunden selbstständig zu heilen, indem es die offene Stelle überwallt und so vor Pilzsporen und Schädlingen schützt.

Kallus – botanische Definition mit Erläuterungen

Wulstartiges Wachstum von neuem Gewebe aus undifferenzierten Zellen an den Rändern von Schnittwunden und anderen Verletzungen an Holzgewächsen. Im weiteren Verlauf flächige Überwallung der Wunde von außen nach innen.

Charakteristisch für Kallus ist, dass sich das Gewebe unmittelbar aus dem dünnen Kambiumring bildet, der sich unterhalb von Rinde und Bast befindet, wie untenstehende Abbildung verdeutlicht.

Kambium

Ast-Querschnitt: 1 Kernholz, 2 Splintholz, 3 Kambium, 4 Bast, 5 Borke/Rinde.

So trägt Kallus zur Wundheilung bei – der Prozess im Einzelnen

An Gehölzen versetzt jede Verletzung das freigelegte Kambium in Alarmbereitschaft. Pilzsporen und Schädlinge lauern auf jede offene Wunde an Sträuchern und Bäumen als ideale Angriffsfläche. Einzig eine zügige Wundheilung reduziert die latente Infektionsgefahr. Damit die Heilung aus eigener Kraft gelingt, durchläuft das Kambiumgewebe einen Verwandlungsprozess und wird zu Kallus, der die Wunde zügig überwallt. Die einzelnen Phasen dieses spannenden Vorgangs erläutert der folgende Überblick:

  • Erste Phase: Kallus-Entstehung in Form unregelmäßig geformter Gewebezellen als kleiner Wulst entlang der Wundränder
  • Zweite Phase: Weiches Gewebe bildet nach außen Rindengewebe, nach innen gerichtet Holzgewebe
  • Dritte Phase: Frisches Gewebe überwallt die Wunde von allen Seiten

Kleinere Schnittwunden sind innerhalb kurzer Zeit mit Kallusgewebe überwallt. An größeren Verwundungen kann sich der Prozess hingegen über viele Jahre hinziehen. Sobald sich die Wundränder im Zentrum treffen, wird das darunter befindliche, beschädigte Gewebe von der Luftzufuhr abgeschottet. Eventuell bereits angesiedelte Pilze und Schädlinge sterben ab.

Die nach innen gerichteten Gewebezellen verschließen offen liegende Gefäße und bilden Gerbstoffe. Sofern sich bereits Fäulnis und Schimmel ausgebreitet haben, werden diese Problemstellen vom Rest des Baumes durch die Gerbstoff-Barriere getrennt.

Wundverschluss torpediert Kallus-Funktion

Dem Vater der modernen Baumpflege, Alex Shigo, haben wir die Erkenntnisse über die Funktionsweise von Kallus zu verdanken. Damit einher geht die logische Folgerung, dass jeglicher Wundverschluss dem Selbstheilungsprozess von Gehölzen entgegenwirkt. Seither ist die Verwendung undurchlässiger Versiegelungsmittel für die Wundbehandlung nach einem Baumschnitt verpönt – bis auf eine Ausnahme:

Wird am Baum oder Strauch inmitten der Winterzeit eine Wunde verursacht, sollte das freigelegte Kambium vor Frostschäden geschützt werden. Zu diesem Zweck glätten Sie die Verletzung mit einem Messer. Daran anschließend bestreichen Sie die Wundränder dünn mit Baumwachs (18,00€ bei Amazon*), um das wertvolle Teilungsgewebe unter der Rinde bis zum nächsten Frühjahr abzudecken. Diese Vorgehensweise ist empfehlenswert für Schnittwunden ab einem Durchmesser von 2 Zentimetern.

Tipp

Damit Kambium den Umwandlungsprozess in Kallus ungehindert durchlaufen kann, werden Äste stets auf Astring geschnitten. Der Wulst zwischen Ast und Stamm enthält das wertvolle Kambiumgewebe in hoher Konzentration und darf folglich nicht verletzt werden.

Bilder: Sawat Banyenngam / Shutterstock